Kaempfers Notizen zu Südindien liegen in dieser Ausgabe zum ersten Mal in
einer vollständigen Edition vor; sie enthalten den Text mit einem kritischen
Apparat und einem ausführlichen Stellenkommentar. In einer Einführung wird
der Text in das Werk Kaempfers eingeordnet und die Frage nach seiner
Entstehung gestellt. Obwohl sich Kaempfer nicht lange in Indien aufhielt, so
sind seine Notizen im Rahmen seiner anderen Ausführungen über Indien von
Bedeutung für sein Verständnis des Subkontinents.
Im Gegensatz zu den Amoenitates Exoticae, in denen er in einigen
Kapiteln auch Naturphänomene und Kulturtechniken Indiens beschreibt, sind
die handgeschriebenen Notizen dem staatlichen Gefüge seiner Westküste (die
zu Kaempfers Zeit „Malabar" genannt wurde, heute heißt es „Südkerala")
gewidmet. Kaempfer nennt die Fürstentümer dieser Region, er charakterisiert
die verschiedenen Gruppen von Bewohnern (Brahmanen, Kschatriyas, Schudras
und andere) und gibt eine Beschreibung vom Verschwinden des letzten
Perumal-Kaisers von Malabar auf einer Wallfahrt nach Mekka. Zusätzlich wird
das matrilineare Recht in Malabar und die personelle und politische
Organisation der Höfe vorgestellt.
Einen wichtigen Teil der Notizen umfaßt die Rolle der Portugiesen und
Holländer, die aufgrund der Gewürze und anderer gewinnträchtiger Waren stark
an dieser Region interessiert waren und hier Faktoreien unterhielten.
Penibel wird dieser Besitz der holländischen Ostindien-Kompanie aufgezählt;
die einzelnen Stützpunkte werden mit ihrem jeweiligen Gewinn, den sie
abwerfen, und den Kosten, die sie verursachen, aufgeführt. Im Zusammenhang
mit der europäischen Expansion und den überseeischen Handelsbeziehungen wird
mit diesen Notizen eine bislang unbekannte wirtschaftshistorische Quelle
erschlossen.
Diese Notizen waren in der vorliegenden Form wohl nicht zur Publikation
bestimmt. Gleichwohl hat Kaempfer sie sorgfältig zusammengestellt und
geschrieben. Sie stellen allerdings nicht, wie man vielleicht vermuten
könnte, eine Leistung dar, die auf eigenen Erkundigungen und Forschungen
beruht. Kaempfer hat wohl – was aufgrund der Quellenlage nicht mit letzter
Sicherheit nachzuweisen ist – entweder Aufzeichnungen von Hendrik van Rheede
tot Drakenstein, der von 1670 bis 1677 holländischer Kommandant von Malabar
war, oder eines seiner Vorgänger ausgewertet und in konzentrierter Form
exzerpiert. Sie werfen in dieser Form ein signifikantes Bild auf Kaempfers
Arbeitsweise und seine landeskundlichen Interessen.