Schmidtpott,
Katja
Nachbarschaft und Urbanisierung in Japan,
1890–1970
2009 · ISBN 978-3-89129-917-3 ·320 S., kt. · EUR
33,—
Sozialwissenschaftliche Forschungen zur Entwicklung der
Nachbarschaftsbeziehungen im modernen Japan haben sich bislang auf die
Stadtviertelvereinigungen (chōnaikai) konzentriert und dabei zumeist
die „gemeinschaftlichen“ Züge des sozialen Zusammenlebens betont, die sich
trotz der in den 1880er Jahren einsetzenden Verstädterung bis ins 20.
Jahrhundert erhalten hätten.
Entgegen dem daraus abgeleiteten Bild der japanischen Großstadt als
Ansammlung dorfähnlicher Gemeinschaften zeigt die mikrohistorische Analyse
von Nachbarschaftserfahrungen anhand von Selbstzeugnissen einzelner
Stadtbewohner jedoch, daß die Intensität und die Funktionen formeller und
informeller Nachbarschaftsbeziehungen stark von der sozialen
Schichtzugehörigkeit bestimmt wurden. Das Verhältnis zu den unmittelbaren
Nachbarn und zur Stadtviertelvereinigung wurde vor allem durch die
wirtschaftliche Lage, die Wohnverhältnisse und die Privatheitsnormen
beeinflußt, die jeweils kennzeichnend für die Angehörigen der fünf sozialen
Gruppen waren, aus denen sich die moderne japanische Stadtgesellschaft
zusammensetzte. Während die Stadtbewohner seit dem Ende des 19. Jahrhunderts
stets „von oben“, d.h. vom Zentralstaat, von den Stadtverwaltungen oder von
einzelnen Wohnungsbaugesellschaften zur Bildung kooperativer Gemeinschaften
angeregt wurden, zeigt die Betrachtung „von unten“, daß sich die moderne
Stadtgesellschaft demgegenüber durch Diversität und Konflikthaftigkeit
auszeichnete.
Ein Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung der Nachbarschaftsbeziehungen in
den Großwohnsiedlungen (danchi) der Nachkriegszeit, in denen sich die
Nachbarschaftskultur der neuen Mittelschicht, die als typisch für die
städtische Gesellschaft der Gegenwart gilt, bereits seit den 1950er Jahren
entfalten konnte.
KATJA SCHMIDTPOTT studierte von 1991 bis 1997 Japanologie
(Sozialwissenschaftliche Richtung), Sozial- und Wirtschaftsgeschichte sowie
Japanologie (Sprachwissenschaftliche Richtung) am Japan-Zentrum der
Philipps-Universität Marburg. Anschließend war sie als wissenschaftliche
Mitarbeiterin in der Sektion Geschichte Japans, Fakultät für
Ostasienwissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum tätig. Nach der
Promotion ging sie im Jahr 2006 zurück zum Japan-Zentrum der Universität
Marburg, wo sie seit 2007 die Professur „Gesellschaft und Geschichte Japans“
innehat. |