Was ist wirklich? In seinem Buch über das Sprechen von gleich zu gleich
bindet Dietrich Krusche die Antwort auf diese Frage nicht an den Inhalt des
Gesagten, sondern an das Gelingen der Verständigung darüber. Der innovative
Schub dieses Buches besteht darin, dass Argumente der Lebens- und der
Bewusstseinswissenschaften aufeinander bezogen und in einen methodischen
Zusammenhang gebracht werden. Die Überwindung von Grenzen zwischen bislang
getrennt agierenden Wissenschaften verändert unseren Blick auf das, was wir
Wirklichkeit nennen.
Im letzten Jahrzehnt hat sich in den Wissenschaften
des Lebens und denen des Bewusstseins ein Schwerpunkt gemeinsamen Interesses
herausgebildet: die Orientierung in Raum und Zeit. Beteiligt sind dabei auf
der einen Seite die Evolutionsbiologie, die Neurologie und die Genetik, auf
der anderen Seite die Sprachpragmatik und die Sprachanthropologie. Damit
stellt sich die Frage danach, was als wirklich gelten kann, neu.
Am
ehesten, sollte man meinen, können wir uns über das verständigen, was unsere
Sinne uns übermitteln. Aber ein Rückblick auf die Geschichte der
menschlichen Verständigung (Teil II des Buches) zeigt, dass die meisten der
jeweils dominierenden Weltsichten, der Mosaismus ebenso wie der Buddhismus,
der klassisch-griechische Idealismus wie das Christentum, sinnliche
Wahrnehmungen als bloßen Augenschein abgetan haben.
Krusches skeptische
Rekonstruktion eines Problemstrangs der Philosophiegeschichte bildet
zugleich den Hintergrund zu einer aktuellen Zuspitzung des Problems: Wir
erleben in diesen Jahren, dass jede Art medial übermittelter Information aus
einem machtpolitischen Kalkül heraus gefälscht werden kann. Nicht nur
absolute Herrscher wie Putin oder Erdogan operieren mit fake news, sondern
auch der Präsident der USA. Dabei zeigt es sich, dass unter den heute
dominierenden Kommunikationsbedingungen und -gewohnheiten, fake news die
innerhalb von sozialen Netzwerken verbreitet werden, bessere Chancen haben
sich durchzusetzen als wissenschaftlich fundierte Informationen.
INHALT
Anknüpfungen
Teil I | Der Dialog in den Medien
Teil II | Sagen unsere
Sinne die Wahrheit? – Der Kampf um die gemeinsame Wahrnehmung
Teil III | Das
Organ Gehirn und die Evolution des Selbstbezugs
Teil IV | Eine neue
Sprachverwendung
Teil V | Selbstzuständigkeit
Literaturverzeichnis
Personenregister
Dietrich Krusche, geboren 1935 in Polen, war Lektor für
Deutsch in Peradeniya, Sri Lanka, und in Okayama, Japan. Von 1982 bis 1997 war
er Professor für interkulturelle Hermeneutik an der Universität München. Seitdem
lebt er in Südfrankreich.
Letzte Publikationen:
Wohin gehst du, Bruder? Erzählung
(2009)
Das ICH-Programm. Ein Versuch zur Ersten Person (2010)
Nizza und ich. Erzählung
(2012)