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Schnyder,
André (Hg.)
Kannitverstan
Bausteine zu einer nachbabylonischen
Herme(neu)tik
Akten einer germanistischen Tagung von 2012
2013 · ISBN 978-3-86205-294-3
· 422 S., kt.; EUR 50,—
Das titelgebende Hebelzitat scheint das ausgeschlossene
Andere dessen, was Hermeneutik erstrebt, zu markieren. Allerdings erweist
sich dieses Andere bei näherem Zusehen als der unvermeidbare Gegenpol des
Verstehens. Das deutende Begreifen findet am ‚Kannitverstan‘ von Mal zu Mal
sein Korrektiv, sein Gegenstück, seine unumgängliche Voraussetzung: dies die
einfache, aber fundamentale und weit tragende Einsicht, die in den hier
präsentierten Beiträgen einer germanistischen Tagung als Ausgangspunkt oder
als Schlusseinsicht, unterwegs an Haupt- oder Nebenwegen der methodischen
Reflexion und der Textanalyse immer wieder aufscheint.
Unterschiedlichste Texte von der Spätantike bis in die
80er Jahre des 20. Jahrhunderts bilden das vielfältige Corpus, an dem
hermeneutische Zugriffe erprobt werden, sich (anti)hermeneutische Skepsis
abarbeitet, sich widerlegt oder bestätigt sieht: eine frühchristliche
Märtyrerlegende und ihre späteren rezeptiven Umformungen, ein
hochmittelalterlicher Alexander-Roman, Vers- und Prosaepik des 15. und 16.
Jahrhunderts (Wittenwilers ‚Ring‘, der ‚Malagis‘, Thürings ‚Melusine‘, ‚Reynke
de Vos‘, ‚Eulenspiegel‘, ‚Finkenritter‘), Passionsspiele, eine bisher
unbekannte ‚Melusine‘-Version aus dem frühen 18. Jahrhundert, aufklärerische
Fabeldichtung, Expeditionsberichte von Kotzebue und Chamisso, Texte von
Keyserling, Kraus, Robert Walser, Kafka, Thomas Valentin, Thomas Bernhard,
nicht zu vergessen die Hebelsche Kalendergeschichte. Diese zeitlich breite
Streuung gestattet ebenso wie die genremäßige Vielgestaltigkeit der Werke
immer wieder andere Durchblicke auf Differenzen im anscheinend Nahen und auf
Analogien zwischen Entferntem. So verbinden sich – im Sinne einer
unvollständigen Reihe von Beispielen – der ‚Strassburger Alexander‘, ‚Die
Königstochter von Frankreich‘ und Robert Walser über die Thematik der Brief-
und Botenkommunikation; kommunikative Chancen und Risiken körpergebundener
Signale zeigen sich ebenso in der Adelswelt des deutschen ‚Malagis‘-Romanes
wie in First-Contact-Szenen aus Expeditionsberichten des 19. Jahrhunderts;
vordergründige, vom Autor inszenierte Unverständlichkeit verbindet
frühchristliche Hagiographie, den ‚Finkenritter‘ mit seinen „schiefen"
Dialogen und die (sich übrigens im Biographischen spiegelnde)
Vexierbildhaftigkeit Kafkascher Texte. |
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