Hoop,
Matthias
Doppelspiel der Narration. Text, Autor und
Protagonist in der Erzählung "Kozo no yume" von Tanizaki Jun'ichiro
1994 • ISBN 978-3-89129-812-1
80 S., kt. · EUR 34,-
Hijiya-Kirschnereit, Irmela (Hg.): Iaponia Insula. Studien zu Kultur und Gesellschaft Japans (Bd.
2)
Als Tanizaki Jun'ichirö (1886-1965) mit einem ersten Erfolg, der
Erzählung Shisei (1909), seine literarische Karriere begann, war
der japanische Naturalismus (shizenshugi) bereits auf seinem
Höhepunkt angelangt. Die Naturalisten propagierten eine objektive,
leidenschaftslose Schilderung von Tatsachen (heimen byôsha, "flache"
Beschreibung) und bereiteten damit die Entwicklung des shishôsetsu vor, der
ausschließlich den vermeintlich am besten zugänglichen Bereich der
Wirklichkeit, das Ich des Autors, zum Gegenstand und eine aufrichtige, schonungslose Selbstdarstellung
zum obersten Gebot einer ernsthaften Literatur erhob. Von Anfang an nahm
Tanizaki eine entgegengesetzte Position ein. Ihn faszinierte, was die
Naturalisten als einer modernen Kunstgattung unwürdig verwarfen:
Fiktionalität, "Artistik" (gikô), Erfindung, Phantasie, das Irreale,
Groteske, ja Unheimliche. Seine Lust am Fabulieren, sein Ästhetizismus,
seine Darstellung des "Masochismus" und seine hedonistische Einstellung
wurden häufig als Mangel an Ernst und gedanklicher Tiefe mißverstanden und
kritisiert. Ein frühes Werk Tanizakis, das sich nicht nur in Stil und
Thematik den Forderungen des Naturalismus widersetzt, sondern diesen
explizit, im Rahmen einer IchErzählung, heftig angreift, ist "Kozô no
yume". Die Erzählung erschien im März und April des Jahres 1917 in 24 Folgen
in der Zeitung Fukuoka nichinichi shinbun, geriet jedoch bald danach in
Vergessenheit. In die zu Tanizakis Lebzeiten erschienenen oder von ihm
selbst besorgten Werkausgaben und Anthologien wurde sie nicht
aufgenommen, und auch in den beiden nach dem Tod des Autors herausgegebenen
Gesamtausgaben (1966-70 und 1981-83) fehlt sie. Lediglich die Existenz einer Erzählung dieses Titels war in einigen seit Mitte der siebziger Jahre
erschienenen bibliographischen Nachschlagewerken nachgewiesen, ihr Text
wurde der Öffentlichkeit und der Wissenschaft erst durch den von Suda
Chisato 1990 herausgegebenen und emendierten Neuabdruck in der
Vierteljahresschrift Bungaku wieder zugänglich gemacht.
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