Baus, Wolf; Klöpsch, Volker; Putz, Otto;
Wuthenow, Asa-Bettina (Hg.)
Hefte für ostasiatische Literatur
40
2006 • H. 40/Mai 2006 • ISBN 978-3-89129-545-8 • ISSN 0933-8721
157 S., kt.; Jahres-Abonnement (2 Hefte): Inland EUR 24,- · EU-Länder EUR 29,50 · Nicht-EU-Länder: Landweg EUR 28,-; Luftpost EUR 35,- (jeweils incl. Porto), Einzelheft: EUR
16,-
VORBEMERKUNG DER HERAUSGEBER:
Autoren, die, aus welchen Gründen auch immer, zeitweise
oder dauerhaft in einem anderen Land als dem ihrer Geburt leben und
arbeiten, sind zumal in der Moderne keineswegs eine Seltenheit: In der
jüngeren Vergangenheit, um nur einige Beispiele zu nennen, Samuel Beckett
und Peter Handke in Frankreich, Vladimir Nabokov in den USA oder der
US-Amerikaner Ian Levy, der seit Jahren unter dem Namen Ribi Hideo in Japan
lebt und in seinen Essays, Erzählungen und Romanen die Sprache seiner
Wahlheimat verwendet. Unter diesen Schriftstellern finden sich zunehmend
auch Autoren aus China oder Japan – Literaturnobelpreisträger Gao Xingjian,
die in Deutschland lebende, auf japanisch und deutsch publizierende Tawada
Yoko (»Überseezungen«), Ikezawa Natsuki, der seit einiger Zeit in der Nähe
von Paris lebt, oder der von Christiane Hammer in diesem HEFT porträtierte
Ha Jin, der – ebenso wie Tawada – erst in der angenommenen oder gesuchten
Fremde zum Schriftsteller wurde. Noch häufiger – wenngleich vielleicht nicht
so häufig, wie man anzunehmen geneigt sein könnte – sind Texte, die in einem
Land angesiedelt sind, das nicht der Lebensmittelpunkt des Autors ist, ja,
das der Autor oftmals nicht einmal aus eigenem Erleben kennt. Eine absolute
Ausnahmeerscheinung hingegen dürfte ein Text wie Kita Morios In Nacht und
Nebel darstellen, eine umfangreiche Erzählung (man zögert, von einem
Roman zu sprechen), deren letzten Teil wir in diesem HEFT bringen und die
zumindest im Rahmen der modernen japanischen Literatur singulären Charakter
besitzt: Zum einen wegen des für den hiesigen (und möglicherweise auch für
den seinerzeitigen japanischen) Leser überraschenden Sujets, ein Thema (die
Selektion und Vernichtung der Patienten einer Nervenklinik während des
Dritten Reichs, vor dem nur angedeuteten, nichtsdestoweniger für die
Erzählung außerordentlich wichtigen Hintergrund der in ihrer Dimension noch
weitaus grauenerregenderen Vernichtung der Juden), das genuin – und
ausschließlich – mit Deutschland verbunden ist; zum anderen wegen der
Erzählhaltung, des Blicks auf die Geschehnisse, die dem Text seinen
vermutlich einzigartigen Charakter verleihen – ein gewissermaßen durch und
durch deutscher Blick, der an kaum einer Stelle erkennen läßt, daß
die Erzählung von einem japanischen Autor stammt.
Den Anfang des Übersetzungsteils bildet ein Prosagedicht,
in dem der Lyriker Hoshino Toru ein Thema aufgreift, das bereits früh in der
japanischen Literaturgeschichte anzutreffen ist. Dabei geht Hoshino
allerdings von einem Jahrhunderte später entstandenen Haiku Bashos aus und
entwickelt dieses Thema, das dem ein oder anderen Leser aus Fukazawa
Shichiros Roman Schwierigkeiten beim Verständnis der Narayama-Lieder
bekannt sein könnte, weiter – zu der Suche nach einem Ort jenseits des
eigenen Ichs. Mit Der Alte von der Ostmauer bringen wir zum zweiten
Mal einen Text von Chen Hong, einem Autor, der eher als Historiograph denn
als Literat bekannt ist. Diese Novelle, deren Konstruktion und Sprache dem
beruflichen Hintergrund ihres Verfassers geschuldet sein dürfte, erlaubt
einen interessanten Einblick in die materielle Kultur der Tang-Zeit und
vermittelt gleichzeitig einen Eindruck von der Vanitas menschlichen Tuns.
Ebenfalls aus der Tang-Zeit stammt die Erzählung Der weiße Affe, aus
heutiger Sicht märchenhaft im Ton, aber mit einem Schluß aufwartend, der
hiesigen Märchen eher fremd ist. Alles andere als fremd hingegen erscheint
der postmoderne Text Pfauenkäfig von Feng Li, die wir damit ein
weiteres Mal vorstellen. Mit Ba Jins sozialkritischer Erzählung Ein
Hundeleben, in der die Existenz eines Shanghaier Underdogs zu Beginn der
Dreißigerjahre des letzten Jahrhunderts beschrieben wird, möchten wir an den
im vergangenen Jahr verstorbenen Autor erinnern. Obwohl das Elend der Welt
in den seither vergangenen Jahren kaum geringer geworden ist, mutet dieser
Text an, als stamme er aus einer sehr fernen Zeit. Der Abdruck der beiden
letzten Erzählungen des Übersetzungsteils erfolgt nicht zuletzt aus
dokumentarischen Gründen. Wakamatsu Shizuko, die Autorin von Großmutters
Zimmer, in Japan noch heute in Erinnerung wegen ihrer Übersetzung von F.
Burnetts Little Lord Fauntleroy (dt.: Der kleine Lord), zählt zu
jenen Stimmen, die die Anfänge der modernen japanischen Literatur prägten,
während der Text Schneckenhaus einen der ersten Versuche darstellt,
die Kulturrevolution und ihre Folgen mit literarischen Mitteln zu
verarbeiten. Zugleich möchten wir mit dem Abdruck der Übersetzung an Eva
Scharlau erinnern, eine Sinologin der jüngeren Generation, die bei der
Tsunami-Katastrophe Weihnachten 2004 ums Leben kam.
In der WERKSTATT bringen wir Ergänzungen zu den
Veröffentlichungen von Günter Debon, in den VARIA neben einem Porträt Ha
Jins einen Bericht über das Berliner Festival ›China zwischen Vergangenheit
und Zukunft‹.
Mit Nachrichten zur Literatur aus Japan und Korea sowie
Bibliographien zu neuen deutschsprachlichen Veröffentlichungen zur
chinesischen und koreanischen Literatur beschließen wir dieses HEFT – das
vierzigste von allen.
Die Herausgeber
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