Schubarth, Bettina
Ironie in Institutionen. Die Reflexion gesellschaftlichen Wissens im ironischen Sprechen
2001 • ISBN 978-3-89129-138-2
319 S., kt. · EUR 40,-
Ehlich, Konrad; Redder, Angelika (Hg.) (Hg.): Studien Deutsch (Bd. 28)
Das Anliegen der Arbeit ist es, nach der Funktionalität des alten rhetorischen Mittels Ironie für die Bewältigung moderner Kommunikationssituationen zu fragen. Eine sprachwissenschaftliche Analyse von authentischen Diskursen unter dem Aspekt ironischer Sprachverwendung kann einen kleinen Einblick in sprachliche Wirklichkeit geben. Ironische Menschen gelten, verstärkt durch die mediale öffentliche Wahrnehmung, als sprachgewandt oder sogar geistreich und genießen deshalb bei vielen ein hohes Ansehen. Doch auch der vermeintlich graue Alltag bietet Quellen für Ironie, stand bisher aber kaum im Mittelpunkt wissenschaftlichen Untersuchungsinteresses. Dies ist bedauerlich, da sich mit der Ironie sehr schön anhand alltäglicher Sprachverwendung sowohl geistesgeschichtliche Spurensuche bis hin zu interkulturellen Studien als auch konkrete Institutionsforschung betreiben lässt. Gerade weil Ironie auf dem ersten Blick der Forderung nach ‚Kooperation' und ‚Aufrichtigkeit' der KommunikationspartnerInnen zu widersprechen scheint und sich dieser Nachteil in institutioneller Kommunikation wegen den besonderen hierarchischen Bedingungen noch potenzieren müsste, ist die Analyse unter Rückgriff auf die historische und wissenschaftliche Entwicklung des Themas ‚Ironie' besonders reizvoll. Es zeigt sich, dass Ironie nicht nur als Garnierung akademischer Plaudereien funktional ist, sondern auch im institutionellen Handeln. So entpuppt sich ein antiker Tropus der Rhetorik als modernes und leistungsfähiges sprachliches Verfahren. In Kapitel 1 und 2 wird Ironie in bestehende Theoriemodelle eingeordnet. Neben der Fundierung der Arbeit in einer diskursanalytisch basierten Handlungstheorie werden Herangehensweisen der Rhetorik und Semantik an die Ironie vorgestellt. Es wird über Grenzen und Möglichkeiten eines neuen Verständnisses von Ironie innerhalb dieser Wissenschaften nachgedacht. Kapitel 3 hat sprachphilosophische Aspekte der Ironie zum Thema, die sich zum Teil aus den Anfangsüberlegungen ableiten lassen und sich in die Stichwörter Intention und Sprachspiel bündeln lassen. Beide Konzepte bieten Anschlussmöglichkeiten sprachwissenschaftlicher Analysen zur Ironie an (wieder) aktuelle sprachphilosophische Debatten. Während Kapitel 1 bis 3 sich noch sehr allgemein mit dem Phänomen der Ironie beschäftigt haben, steht in Kapitel 4 die konkrete Bedeutung von Ironie hinsichtlich ihrer Wort- und Sachgeschichte, aber auch die synchrone Darstellung ihres aktuellen Bedeutungsumfangs im Vordergrund. Alte Bedeutungen tradieren sich bis heute fort und destillieren sich beispielsweise in Wörterbucheinträgen. Die als selbstverständlich erachteten "Familienähnlichkeiten" der Ironie und des Komischen werden im Anschluss daran kritisch hinterfragt. Die enge Verknüpfung von Ironie und Humor, auch in der wissenschaftlichen Forschung, leitet über zu Kapitel 5, in dem die Autorin nach Sichtung der umfangreichen und vielfältigen Literatur zur Ironie versucht, den aktuellen Forschungsstand darzustellen. Dabei erweist sich der Einbezug von psychologischen und medizinisch-neurologischen Forschungsergebnissen als interessante Ergänzung der sprachwissenschaftlich basierten. Kapitel 6 greift die in Kapitel 1 bis 5 gelegten Fährten auf und stellt mehrere Analysen von öffentlich gewordenem ironischen Sprechen vor, bei dessen Rezeption sich kontroverse Interpretationen gezeigt haben. U.a. wird Walsers Friedenspreisrede unter dem Aspekt literarisch-ironischer Fragestellung beleuchtet, was einen neuen Zugang zur so genannten "Walser-Bubis-Debatte" eröffnen könnte. In Kapitel 7 schließlich werden die Überlegungen zu Funktionalität und Zweck von Ironie, die bereits vor allem in den Kapiteln 3, 4 und 6 im Mittelpunkt der Überlegungen standen, innerhalb konkreter und vielfältiger institutioneller Diskurse analysiert und erprobt. Die Kategorie des Mentalen, also der Rückgriff auf rekonstruierbare, gemeinsame Wissensbereiche bei SprecherInnen und HörerInnen, soll sich hierbei als Bezugskategorie der Analysen bewähren.
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