Nagai Kafû
gehört zu jenen bedeutenden Schriftstellern, die zu Anfang des 20.
Jahrhunderts der japanischen Literatur Wege in die Moderne bahnten.
1879 wurde er als ältester Sohn eines Beamten in hochrangiger Stellung
geboren. Gebildet in klassischem Chinesisch, fasziniert von der
edozeitlichen Kultur, ließ Kafû sich aber auch, wie viele seiner
Zeitgenossen, von der westlichen Literatur, vor allem der französischen,
inspirieren.
1903 bis 1908 führten ihn Auslandsaufenthalte in die USA
und nach Frankreich (Amerika monogatari, 1908, Furansu monogatari,
1909). Von 1910 bis 1916 war er Professor für Literatur in Tôkyô, danach
freier Schriftsteller. Kafû starb 1959.
Kafû gehört in die Reihe der großen Tagebuchschreiber des
20. Jahrhunderts. In Japan steht er in der alten, tausendjährigen Tradition
des literarischen Tagebuchs, das er zu einem neuen Höhepunkt führte.
Täglich sehen wir Kafû seine Streifzüge unternehmen,
stets mit einem kritischen Blick auf Gassen, die von anderen Schriftstellern
eher gemieden wurden. In Tôkyô geboren, ist Kafû, in mancherlei Hinsicht ein
Flaneur im Sinne Baudelaires und Manets, dennoch im Tôkyô seiner Zeit nicht
eigentlich mehr beheimatet; ist zum étranger geworden, der seine Stadt immer
mehr mit dem distanzierenden, reflektierenden Blick des Fremden
durchwandert.
Sein erfolgreichstes Werk, „Bokutô kitan"
(1937), wurde 1990 von Barbara Yoshida-Krafft ins Deutsche übertragen
(„Romanze östlich des Sumidagawa").